Im Bann der Allgäuer Erweckungsbewegung
1791 wurde Christoph Schmid zum Priester geweiht. Seine erste Kaplanstelle führte ihn nach Nassenbeuren bei Mindelheim. Dort schrieb der Dreiundzwanzigjährige das Gedicht "Ihr Kinderlein kommet!". Es wird den Erwartungen seines großen Vorbilds Sailer voll gerecht. Der Ton ist schlicht, sodass ihn auch einfache Menschen verstehen. Gleichzeitig werden Heilswahrheiten vermittelt. Das in Armut geborene Kind wird durch sein Opfer am Kreuz die Menschheit erlösen. Bezeichnenderweise sind die letzten Strophen, die von der Leidensgeschichte sprechen, heute vergessen.
Von dort wird er nach Seeg im Allgäu versetzt. Die Gegend steht schon lange unter dem Verdacht der Häresie. Nicht wenige vom Fürstbischof in Salzburg vertriebene Protestanten waren hierher geflüchtet. Ihr alter Landesherr hatte ihnen ihre Kinder weggenommen und ihr Vermögen beschlagnahmt. In der neuen Heimat besuchten sie zwar den katholischen Gottesdienst, trafen sich aber heimlich weiter zu Gebet und Bibelarbeit.
Das alarmierte Domkapitel in Augsburg sah sich in seinem Misstrauen bestätigt, als eine "Allgäuer Erweckungsbewegung" von sich reden machte. Auf ihren Versammlungen kam es nicht nur zu den von den Pietisten bekannten ekstatischen Offenbarungen. Noch schlimmer war, dass junge Frauen den Ton angaben und sich priesterliche Rechte anmaßten. Sie legten den Versammelten die Hände auf und fühlten sich berufen, andere von ihren Sünden freizusprechen.
Laut Christophs späterem Bekenntnis waren es die schönsten, aber auch verhängnisvollsten Jahre im seinem Leben. Wie andere Priester wurde er angeklagt, diese Erweckungsbewegung unterstützt zu haben. Selbst als er aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden musste, blieb er seinen Vorgesetzten als einer von Sailers Anhängern verdächtig.