Welche politischen Leitlinien lassen sich aus der Diskussion um die geplante Zentralbücherei auf dem Tempelhofer Feld entwickeln?
1. Einstimmung
In den siebziger Jahren war ich Tutor am Institut für Wirtschaftspädagogik an der Freien Universität in Dahlem. Im November gehörte es zu meinen Aufgaben, durch verschiedene Buchhandlungen zu ziehen und für ein paar tausend Mark Bücher einzukaufen. Denn wenn der Bücheretat bis zum Jahresende nicht ausgegeben worden war, musste der noch offene Betrag zurückgezahlt werden. Um diesen Betrag wurde dann der neue Bücheretat gekürzt. Deshalb haben wir also auf Teufel komm raus das letzte Geld ausgegeben. Die Bibliothekarin war am Institut eine Schlüssel-Person, weil keine so gut wie sie von den persönlichen Problemen der Studenten wusste.
Bis in die neunziger Jahre betrieben zwei meiner Freunde in Wilmersdorf eine Buchhandlung. Von der Laufkundschaft allein konnten sie nicht leben. Deshalb war man dankbar, dass die Büchereien und Schulen der Umgebung über sie Bücher bestellten. Dann wurden all diese Einrichtungen unter Spardruck gesetzt. Die Schulbücher wurden von der Senatsverwaltung zentral bestellt, weil dann der Rabatt höher ausfiel. Auch die Bibliotheken wurden verpflichtet, die Vorteile des Großeinkaufs mehr zu nutzen. Obwohl meine Freunde in einen kleineren Laden umzogen, mussten sie wie viele kleine Buchläden, die sich nicht spezialisiert hatten, ihr Geschäft aufgeben. Selbst so traditionelle Buchläden wie die linke Buchhandlung am Savignyplatz mussten aufgeben. Jahrelang hatte das Kollektiv durch Lohnverzicht versucht, diesen schmerzhaften Schritt zu verhindern. Sie verloren auch ihr Zuhause.
Meine bevorzugte Bibliothek in Westberlin war die Amerika-Gedenkbibliothek. Ich fand es immer schade, dass es dort kein Cafe in kommunaler Trägerschaft gab. Was gibt es schöneres, eine(n) andere(n) über den Stapel seiner ausgeliehenen Bücher kennenzulernen? Als die Staatsbibliothek eröffnet wurde, besuchte ich gerne die dortige Cafeteria. Einmal, weil die Preise zivil waren. Außerdem hatte man einen fantastischen Blick auf den verödeten Potsdamer Platz. Anschaulich hatte man vor Augen, was die Teilung der Stadt für die Menschen hier wie drüben bedeutete.
Wilhelm Liebknecht hätte sich sicher gefreut, dass die Kreuzberger Stadtbücherei nach ihm benannt wurde. Dort trifft sich auch das Immigrantenvölkchen, das sich in den letzten Jahrzehnten rund um das Kottbusser Tor angesiedelt hatte.
Wenn man also über den Sinn bzw. Unsinn einer (großen) Bibliothek diskutiert, geht es also immer auch um ein Stück Subkultur, die man schafft bzw. abschafft.
2 Über neue Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken!
Bereits diese wenigen Impressionen werden deutlich gemacht haben, dass es bei den Büchereien um ein Stück Kultur der Stadt geht und das man durch Einsparungen auf der einen Seite zur Verarmung anderer Bereiche beiträgt.
Die europäische Zentralbank stellt Banken zurzeit Kredite mit einem Zinssatz von 1 Prozent zur Verfügung. Diese verleihen das Geld an finanzschwache Staaten mit einem Aufschlag von fünf Prozent und mehr weiter. Warum stellt die EZB nicht den einzelnen Staaten einen je nach Einwohnerzahl unterschiedlich hohen Kredit zur Verfügung mit der Vorgabe, dass er an die unteren Gebietseinheiten weitergeleitet und dort in die kulturelle Entwicklung investiert werden muss? Das wäre Geld, das ganz sicher in die Realwirtschaft und in sinnvolle Investitionen (unter Mitbestimmung der dort Lebenden) landen würde.
Beim Grips-Theater drohte eine Schließung, weil im Haushalt ca. 100.000 Euro fehlten. Wenn sich einzelne Zeitungen und Fernsehsender hier engagiert hätten, wäre dieser Betrag sehr schnell durch Spenden zusammen gekommen. Ich gehöre zu den Menschen, die keine Lust mehr haben, sich groß in Vereinen zu engagieren. Ich spende aber gerne, wenn ich das Projekt für sinnvoll halte.
Im Fernsehen hat mich Pastor Fliege mit seiner Stiftung überzeugt. Wenn man sich engagieren wollte, konnte man anrufen und es wurde ein Betrag von 5 Euro von der eigenen Telefonrechnung abgebucht. Die Deutschen sind ein spendenfreudiges Volk und das sollte man auch nutzen, statt immer nur den Staat in die Pflicht zu nehmen.
Unter dem jetzigen Spardruck diskutieren die Bezirke einzelne Nachbarschaftsbüchereien zusammenzulegen und auf diese Weise Personal einzusparen. Ausgerechnet der Versuch, auch bildungsfernen Schichten den Zugang zu einer Bücherei zu erleichtern, soll jetzt wieder aus finanziellen Gründen reduziert werden.
Es ist absurd. Wir bauen Millionenprojekte im Verkehrsbereich, deren Kosten explodieren, sind aber nicht mehr in der Lage, unsere Schulen oder Landstraßen zu sanieren.
Das alles sollte man berücksichtigen, wenn es um eine Stellungnahme zur geplanten Zentralbibliothek geht. Ganz offensichtlich gehört inzwischen der Zugang zu unterschiedlichen Speichermedien zum Grundstandart einer modernen Bibliothek. Einen solchen Bereich zu installieren, scheint sehr kostenintensiv zu sein. Vielleicht ist es wirklich sinnvoll, diese Aufgabe zentral anzugehen und den unterschiedlichen Büchereien einen Zugang zu ermöglichen.
Davon unabhängig sollte es aber eine Vielzahl von Büchereien geben, die ganz unterschiedliche Besuchergruppen ansprechen und miteinander in Kontakt bringen. es geht also nicht um eine Zentralisierung, sondern um eine Vernetzung der verschiedenen Angebote. gerade die Beschränkung auf das Maßvolle bewahrt eine Gesellschaft vor den Milliardengräbern, die wir den Entscheidungen ehrgeiziger Politiker verdanken. Jeder französische Präsident setzt sich mit einem Milliardenprojekt ein Denkmal. Gleichzeitig ist das Land nicht in der Lage, die hohe Arbeitslosigkeit in den Bourdieus in den Griff zu bekommen.
Deshalb fordern wir eine Dezentralisierung
a) damit sich das Projekt in das jeweilige Umfeld einordnen muss.
b) Planung und Kosten überschaubar bleiben und jederzeit auch von Außenstehenden kontrolliert werden können.
c) weil auf diesem Wege auch bildungsferneren Schichten der Zugang zu diesen Bildungsangeboten erleichtert wird.
d) weil die zur Verfügung gestellten räume überschaubar bleiben und den Besuchern die Kontaktaufnahme untereinander erleichtern.
f) weil die Instandhaltungs- und sanierungskosten überschaubar bleiben und wir nicht zukünftige Generationen für unsere Milliardengräber in die Pflicht nehmen.
Welche politischen Leitlinien lassen sich aus der Diskussion um die geplante Zentralbücherei auf dem Tempelhofer Feld entwickeln?
1. Einstimmung
In den siebziger Jahren war ich Tutor am Institut für Wirtschaftspädagogik an der Freien Universität in Dahlem. Im November gehörte es zu meinen Aufgaben, durch verschiedene Buchhandlungen zu ziehen und für ein paar tausend Mark Bücher einzukaufen. Denn wenn der Bücheretat bis zum Jahresende nicht ausgegeben worden war, musste der noch offene Betrag zurückgezahlt werden. Um diesen Betrag wurde dann der neue Bücheretat gekürzt. Deshalb haben wir also auf Teufel komm raus das letzte Geld ausgegeben. Die Bibliothekarin war am Institut eine Schlüssel-Person, weil keine so gut wie sie von den persönlichen Problemen der Studenten wusste.
Bis in die neunziger Jahre betrieben zwei meiner Freunde in Wilmersdorf eine Buchhandlung. Von der Laufkundschaft allein konnten sie nicht leben. Deshalb war man dankbar, dass die Büchereien und Schulen der Umgebung über sie Bücher bestellten. Dann wurden all diese Einrichtungen unter Spardruck gesetzt. Die Schulbücher wurden von der Senatsverwaltung zentral bestellt, weil dann der Rabatt höher ausfiel. Auch die Bibliotheken wurden verpflichtet, die Vorteile des Großeinkaufs mehr zu nutzen. Obwohl meine Freunde in einen kleineren Laden umzogen, mussten sie wie viele kleine Buchläden, die sich nicht spezialisiert hatten, ihr Geschäft aufgeben. Selbst so traditionelle Buchläden wie die linke Buchhandlung am Savignyplatz mussten aufgeben. Jahrelang hatte das Kollektiv durch Lohnverzicht versucht, diesen schmerzhaften Schritt zu verhindern. Sie verloren auch ihr Zuhause.
Meine bevorzugte Bibliothek in Westberlin war die Amerika-Gedenkbibliothek. Ich fand es immer schade, dass es dort kein Cafe in kommunaler Trägerschaft gab. Was gibt es schöneres, eine(n) andere(n) über den Stapel seiner ausgeliehenen Bücher kennenzulernen? Als die Staatsbibliothek eröffnet wurde, besuchte ich gerne die dortige Cafeteria. Einmal, weil die Preise zivil waren. Außerdem hatte man einen fantastischen Blick auf den verödeten Potsdamer Platz. Anschaulich hatte man vor Augen, was die Teilung der Stadt für die Menschen hier wie drüben bedeutete.
Wilhelm Liebknecht hätte sich sicher gefreut, dass die Kreuzberger Stadtbücherei nach ihm benannt wurde. Dort trifft sich auch das Immigrantenvölkchen, das sich in den letzten Jahrzehnten rund um das Kottbusser Tor angesiedelt hatte.
Wenn man also über den Sinn bzw. Unsinn einer (großen) Bibliothek diskutiert, geht es also immer auch um ein Stück Subkultur, die man schafft bzw. abschafft.
2 Über neue Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken!
Bereits diese wenigen Impressionen werden deutlich gemacht haben, dass es bei den Büchereien um ein Stück Kultur der Stadt geht und das man durch Einsparungen auf der einen Seite zur Verarmung anderer Bereiche beiträgt.
Die europäische Zentralbank stellt Banken zurzeit Kredite mit einem Zinssatz von 1 Prozent zur Verfügung. Diese verleihen das Geld an finanzschwache Staaten mit einem Aufschlag von fünf Prozent und mehr weiter. Warum stellt die EZB nicht den einzelnen Staaten einen je nach Einwohnerzahl unterschiedlich hohen Kredit zur Verfügung mit der Vorgabe, dass er an die unteren Gebietseinheiten weitergeleitet und dort in die kulturelle Entwicklung investiert werden muss? Das wäre Geld, das ganz sicher in die Realwirtschaft und in sinnvolle Investitionen (unter Mitbestimmung der dort Lebenden) landen würde.
Beim Grips-Theater drohte eine Schließung, weil im Haushalt ca. 100.000 Euro fehlten. Wenn sich einzelne Zeitungen und Fernsehsender hier engagiert hätten, wäre dieser Betrag sehr schnell durch Spenden zusammen gekommen. Ich gehöre zu den Menschen, die keine Lust mehr haben, sich groß in Vereinen zu engagieren. Ich spende aber gerne, wenn ich das Projekt für sinnvoll halte.
Im Fernsehen hat mich Pastor Fliege mit seiner Stiftung überzeugt. Wenn man sich engagieren wollte, konnte man anrufen und es wurde ein Betrag von 5 Euro von der eigenen Telefonrechnung abgebucht. Die Deutschen sind ein spendenfreudiges Volk und das sollte man auch nutzen, statt immer nur den Staat in die Pflicht zu nehmen.
Unter dem jetzigen Spardruck diskutieren die Bezirke einzelne Nachbarschaftsbüchereien zusammenzulegen und auf diese Weise Personal einzusparen. Ausgerechnet der Versuch, auch bildungsfernen Schichten den Zugang zu einer Bücherei zu erleichtern, soll jetzt wieder aus finanziellen Gründen reduziert werden.
Es ist absurd. Wir bauen Millionenprojekte im Verkehrsbereich, deren Kosten explodieren, sind aber nicht mehr in der Lage, unsere Schulen oder Landstraßen zu sanieren.
Das alles sollte man berücksichtigen, wenn es um eine Stellungnahme zur geplanten Zentralbibliothek geht. Ganz offensichtlich gehört inzwischen der Zugang zu unterschiedlichen Speichermedien zum Grundstandart einer modernen Bibliothek. Einen solchen Bereich zu installieren, scheint sehr kostenintensiv zu sein. Vielleicht ist es wirklich sinnvoll, diese Aufgabe zentral anzugehen und den unterschiedlichen Büchereien einen Zugang zu ermöglichen.
Davon unabhängig sollte es aber eine Vielzahl von Büchereien geben, die ganz unterschiedliche Besuchergruppen ansprechen und miteinander in Kontakt bringen. es geht also nicht um eine Zentralisierung, sondern um eine Vernetzung der verschiedenen Angebote. gerade die Beschränkung auf das Maßvolle bewahrt eine Gesellschaft vor den Milliardengräbern, die wir den Entscheidungen ehrgeiziger Politiker verdanken. Jeder französische Präsident setzt sich mit einem Milliardenprojekt ein Denkmal. Gleichzeitig ist das Land nicht in der Lage, die hohe Arbeitslosigkeit in den Bourdieus in den Griff zu bekommen.
Deshalb fordern wir eine Dezentralisierung
a) damit sich das Projekt in das jeweilige Umfeld einordnen muss.
b) Planung und Kosten überschaubar bleiben und jederzeit auch von Außenstehenden kontrolliert werden können.
c) weil auf diesem Wege auch bildungsferneren Schichten der Zugang zu diesen Bildungsangeboten erleichtert wird.
d) weil die zur Verfügung gestellten räume überschaubar bleiben und den Besuchern die Kontaktaufnahme untereinander erleichtern.
f) weil die Instandhaltungs- und sanierungskosten überschaubar bleiben und wir nicht zukünftige Generationen für unsere Milliardengräber in die Pflicht nehmen.