Wenn ich an Benedikt und Julian denke, schmunzle ich. Sie sorgen für Sonne in meinem oft von trüben Stimmungen heimgesuchten Leben. Ihre türkischen Großeltern rufen sie Can und Emre.
Benedikts Treuherzigkeit rührt mich an. Manchmal, wenn ich auf dem Teppich sitze, bleibt er vor mir stehen. Als wolle er mich trösten, berühren seine kleinen Hände meine Haare. Ruft er nach seinem Papa, macht mich das betroffen. Ich erlebe ihn als schutzbedürftig. Can ist gutmütig und weichherzig. Er gibt schneller nach als sein Bruder Emre. Neugierig entdeckt er immer etwas, in das er sich vertiefen kann.
Julian ist ein Wonneproppen. Kaum in der Wohnung angekommen, möchte er sofort etwas mit nach Hause nehmen. Stimme ich nicht sofort zu, bekomme ich seinen lärmenden Groll zu hören. Julian kann die Puppen tanzen lassen. Gleichzeitig hat er ein großes Talent, für innige Nähe zu sorgen. Viele Menschen wird er mit seinem Liebreiz bannen. Redet man ihm ins Gewissen, zeigt auch er ein weiches Herz. Julian verlangt mehr nach seiner Mama.
Gleich alt und doch schon so Verschieden
Es überrascht mich immer wieder, dass diese Jungen mit ihren dreieinhalb Jahren bereits ihr ganz eigenes Wesen besitzen. Gerne erinnere ich mich an die ersten zwei Jahre in der Prinz-Eugen-Straße in Wedding. Wenn sie an Melanies Brust nuggelten, waren sie ganz Hingabe. Manchmal hielten sie inne und ein lustvolles Stöhnen war zu hören. Es war schön, sie anschließend im Schoß zu halten und ihre tiefe Zufriedenheit zu genießen.
Manchmal freilich ließen sie sich nur schwer beruhigen. Schließlich musste sie ihr Papa selbst zu später Stunde die vier Stockwerke nach unten tragen. Erst unterwegs im Kinderwagen beruhigten sie sich und nach einer Weile fielen ihnen die Augen zu. Die Erinnerung an den schönen Einklang zwischen dem Vater und seinen Jungen schmerzt. Angesichts der jetzigen Sorgen, die er uns macht, erscheint mir diese Zeit wie ein untergegangenes Paradies.
Natürlich waren sie wie alle Babies auch fordernd. Manchmal waren ihre Eltern am Ende ihrer Kraft. Aber angesichts dieser kleinen, schutzbedürftigen Wesen vergaß man schnell wieder all die anstrengenden Momente.
Sonntägliches Miteinander
Jeden Sonntag kommen sie zu Besuch. Im Kindergarten hatten sie sich Scharlach eingefangen. Bei Bene war die Krankheit schon am Freitag ausgebrochen. Jetzt machte sie Julian zu schaffen. Müde und angeschlagen wollte er sich ankuscheln.
Das tat wiederum Bene weh, der ihm kurz zuvor heftig in die Wange gekniffen hatte. Ich versprach Julian, ihm beim nächsten Angriff dieses Gauners beizustehen. "Ich halte Bene fest und Du kannst ihn in den Po kneifen!" Meine Androhung ärgerte Bene. Er sprang auf uns, die wir am Boden lagen und es tat oft richtig weh.
Zwischendurch spielte er mit einer kleinen Box, aus der bei Knopfdruck ein paar Takte eines türkischen Rap-Gesangs zu hören waren. Bene hielt sie sich ans Ohr und tat, als würde er telefonieren. Onkel Taifun wurde angerufen, aber auch sein Papa. Bene murmelte einige Laute und schien dann aufmerksam seinem Gegenüber zu lauschen. Es war schön, ihm zuzuhören. Dann ließ er uns wieder seinen Ärger spüren.
Ich sei Julians Opa, aber er hätte seinen Tete (sein türkischer Großvater). Ich sprach von Tetes eindrucksvollem Schnauzbart und wie gerne er Emre und Can habe.
Zwei Männer unter sich
Julian war vor Benes Attacken zu seiner Mama aufs Bett geflüchtet. Ich ging mit seinem Bruder in die Küche zum Abwasch. Der gehört zu Benedikts Lieblingsbeschäftigungen. Es verlangt viel geschicktes Eingreifen, damit Bene und die Küche nicht sofort unter Wasser stehen.
Für uns Erwachsene hat Wasser seinen Zauber verloren. Kinder erleben es noch als aufregend. Heiß wie kalt kommt es aus dem Hahn. Sein Strahl lässt sich steigern, bis er in das Becken donnert. Beim Spülmittel wird nicht gespart. Noch muss Opa helfen, den Verschluss nach oben zu ziehen. Dann wird jede weitere Mitarbeit abgelehnt. Endlich verwandelt sich das Becken in ein Meer duftenden Schaums.
Auf Wunsch der Jungen gibt es jeden Sonntag Bratkartoffeln. Bene möchte mit der Pfanne voller Fett anfangen. Ich kann ihn überreden, erst die Teller zu waschen. Schon taucht der erste aus dem Schaumbad auf und fällt scheppernd im das andere Becken. Ich sammle die Scherben ein und werfe sie in den Abfalleimer.
Can nutzt vor allem und mit großem Schwung die Geschirrbürste. Sie macht es möglich, die ganze Umgebung mit Wasser zu versorgen. Schon tropft es von Benes langen T-Shirts. Werde ich seine Klamotten auf der Heizung wieder trocken bekommen, bevor Mama aus dem Mittagsschlaf erwacht? Bene arbeitet mit großer Begeisterung. Seine Freude ist unbeschreiblich. Von seinem Stuhl tropft das Wasser auf den Küchenboden. Er belehrt mich, dass ich ihm großen Dank schulde.
Meine zaghaften Hinweise auf die ersten Seen auf dem Küchenboden nimmt er lächelnd zur Kenntnis. Er ist bereit, auch noch den Küchenboden zu wischen. Ab und zu darf ich das fettige Spülwasser abfließen lassen. Anschließend kommt wieder Spülmittel in großen Mengen zum Einsatz.
Schließlich ist der Fußboden an der Reihe. Meinen Vorschlag, einen Putzlappen zu benutzen, lehnt er ab. Mit Opas Waschlappen lässt sich besser arbeiten. Ich rate ihm, mit den bereits benutzten Geschirrtüchern den Boden nach zu wischen. Wie ich am nächsten Morgen feststelle, hat er meinen Rat sehr ernst genommen. Alle meine frisch gewaschenen Geschirrtücher finde ich halbfeucht im Wäschekorb.
Als Julian aus dem Mittagsschlaf erwacht und von Benes großem Einsatz erfährt, ist er außer sich. Ich muss ihm hoch und heilig versprechen, dass er am nächsten Sonntag abwaschen darf. Ich fürchte, der Abwasch wird nun ein ganz selbstverständlicher Teil ihres sonntäglichen Besuchsprogramms werden.
Glückliche und zufriedene Kinder dank ihrer Mama
Mit gespannter Aufmerksamkeit beobachten die Jungen Angelikas alten Kater Nero. Sie sind außer sich, wenn sie Veras jungen Hund Azurro streicheln dürfen. In solchen Momenten beneide ich sie um ihr intensives Lebensgefühl. Ihre Begeisterung und ihre Freude sind umwerfend.
Natürlich sind sie nicht nur süße Engel, sondern können Mama ganz schön auf die Palme treiben. So manches unschöne Wort wird aus dem Kindergarten mitgebracht und lustvoll ausgekostet. Es tut Mama weh, wenn sie beschimpft oder zurückgewiesen wird. Oft bleibt ihr nichts anderes übrig, als den widerborstigen Aufrührer zur Besinnung in ein anderes Zimmer zu schicken. Feixend verfolgt der im Augenblick friedfertige Bruder den Machtkampf.
Ihre Mutter geht Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg und fordert für sich Respekt ein. Die Jungen akzeptieren es. Schnell sind sie wieder friedfertig und oft äußern sie spontan ihre Dankbarkeit. Sie schätzen es, wie sehr sie von ihrer Mutter zu ihrem Fantasiereisen ermutigt werden. Es sind neugierige, aufgeweckte und begeisterungsfähige Kinder.
Um ihre schöne und farbenreiche Kindheit sind sie zu beneiden.