Bhagwan verstand auf seinen Fotos äußerst überzeugend zu verkörpern, um was es ihm ging. Sein rechtes Auge sah Dich prüfend an, während das andere, nach innen gewandt, in einer anderen Welt zu weilen schien. Jahrzehnte später, als ich mehr von seinem Leben wusste, konnte ich auch den versteckten Schalk (das Schelmische) in dieser Selbstdarstellung entdecken. Sicher kannte Bhagwan den Spruch aus Jesus Sirach, einem der Weisheitsbücher des Alten Testaments: "Es ist mancher scharfsinnig und ist doch ein Schalk." (Buch Sirach 19, 22) (Zu Bhagwans Persönlichkeit und seinem Werk siehe: Osho – Wikipedia)
Um seinen geistigen Horizont und seine Belesenheit habe ich ihn beneidet. In einer poetischen Sprache verstand er sein Wissen und seine Weisheiten weiterzugeben. viele seiner Geschichten berührten durch ihren Tiefsinn. Schon seinen Lehrern hat er mit seinem geballten Eigensinn das Leben schwergemacht. Er war ein Querdenker und genoss es. Dem bewunderten Mahatma Gandhi und seiner Bewegung warf er vor, den Zustand der Armut zu idealisieren. Boshaft wählte er für seine Anhänger das orangefarbene Kleid der Asketen. Aber nicht der vom Hinduismus geforderten Entsagung sollten sie ihr Leben widmen, sondern ihrem persönlichen Glück. Provokativ trug er mit Brillanten besetzte Armbanduhren. Auf der Farm in Oregon standen dreiundneunzig Rolls- Royces. In diesen Jahren schwieg er. Auch eine List, um in den immer heftigeren Auseinandersetzungen um seine Person keine Stellung beziehen zu müssen. Freilich hat dieser Rückzug einer kleinen Gruppe ermöglicht, die anderen zu manipulieren und sich mit immer kriminelleren Methoden durchzusetzen.
Auch sein geistiger Horizont hatte sich verdüstert. Als er allen Behinderten ein Lebensrecht absprach und für die Euthanasie eintrat, war ich, inzwischen erblindet, geschockt. Schwule sollten zwar nicht umgebracht werden. Aber ihr abartiges Leben sollte sich möglichst abseits der "normalen" Gesellschaft abspielen. Auch den im Matthäus-Evangelium gepredigten Hass, der alle Juden für die Kreuzigung Jesu haftbar machte, vertrat er. In den häufigen Judenverfolgungen sah er eine gerechte Strafe.
Als alles noch ein schöner Traum war, folgte so mancher meiner Freunde seinem Ruf und änderte sein Leben. Hanselino, mein angeschwärmter Hetero, kleidete sich orange und nannte sich Videya. Gemeinsam praktizierten wir an der türkischen Küste in einer alten Arena aus der Römerzeit in Side die dynamische Meditation. Seit Jahrzehnten lebt Videya in Berkeley bei San Francisco, ist ein gefragter Paartherapeut und will Von unserer alten Liebe leider nichts mehr wissen.
Für Adigama, dem Wanderer auf göttlichen Wegen, war ich kein einfacher Weggefährte. Vor über zehn Jahren haben wir seine Urne auf dem Matthäi-Friedhof in Schöneberg beigesetzt. Am Grab ist ein Stein zu sehen, den er von einer Reise mitgebracht hat. Ein Ausspruch Meher Babas ist zu lesen "Never born, never died." (Meher Baba – Wikipedia)
Auch dank unserer Freundschaft teile ich diesen pessimistischen Blick auf das Leben nicht.