Abschließende Gedanken zu Angela und Guido

 

Angela Merkel wie Gudrun Enslin hat in ihrem Elternhaus moralischen Über-Eifer kennengelernt. Dazu kamen bei Angela die Demütigungen in der Schule. Kinder, die zu hohen seelischen Spannungen ausgesetzt sind, neigen dazu, früh-reif und alt-klug zu werden. Sie sind später oft anfällig für Gegen-Welten, die in ihrem Herkunftsmilieu geächtet oder gering geschätzt wurden.

So verliebte sich Gudrun Enslin zunächst in einen Drogenfreak, dessen Vater ein berühmter Nazi-Schriftsteller gewesen war, und dann in den von drei Frauen verwöhnten Andreas Bader, der schon in der Schule durch kriminelle Aktivitäten auffiel. In ihren Weg in die Gewalt sah die schwäbische Pfarrerstochter eine "Selbstheiligung".

Auch Angela Merkel wird ihren Aufstieg in der großen Politik als rauschhafte Transformation erlebt haben. So kontrolliert sie sich nach außen auch gibt, ein enormer Ehrgeiz und eine idealistische Über-Spannung sind nicht zu überhören. Frühreife Menschen reagieren nicht selten beleidigt, wenn ihre guten Absichten bezweifelt oder an der Realität gemessen werden. Auch Angela Merkel lässt zunehmend verletzte Eitelkeit erkennen.

Verglichen mit diesen Frauen ist Guido Westerwelle auf den ersten Blick eine eher blasse Erscheinung. Doch besitzt er das Talent zum Agitator, der Krisenerscheinungen aufzugreifen versteht und oft recht gut und geschickt argumentiert. Im Rampenlicht und durch Beifall ermutigt, blüht er auf und gewinnt an Farbe.

Sicher hat er sich mit der Annahme seiner Homosexualität schwer getan. Jedenfalls hat er sie erst preisgegeben, als in der Öffentlichkeit an schwulen Politikern kein Anstoß mehr genommen wurde. In der Zeit der Diskriminierung war bekannt, dass so mancher schwule Mann sein "Defizit" durch besondere Leistung zu überspielen hoffte. Guidos früher Erfolg in der Politik wird seinem Ego gut getan haben. Aber die Angst, als Außenseiter entdeckt zu werden und verletzbar zu sein, hinterlässt Spuren. Vielleicht hat in diesem seltsamen Paar sich jeder im anderen wiedererkannt und ihn deshalb auf Anhieb sympathisch gefunden.

 

Arbeitstiere

Unbestritten sind Guido und Angela Arbeitstiere. Das Wort ist nicht nur positiv gemeint, sondern hat einen negativen Beigeschmack. Tiere leben in Naturzusammenhängen und müssen ihr Leben nicht durch Arbeit bewältigen. Wird ein Mensch zum "Tier", dann verliert er damit auch ein Stück Freiheit. Für Arbeitstiere ist Arbeit zur Droge geworden. Der Gedanke, andere könnten ohne Arbeit und auf ihre Kosten eine ruhige Kugel schieben, beunruhigt sie.

Als ich in den siebziger Jahren in Westberlin studierte, träumten wir von der Abschaffung der Arbeit. "Befreiung von der Arbeit" war der Titel eines Taschenbuchs, das diesen neuen Trend anschaulich dokumentierte. Als Ursachen wurden die Fortschritte in der Technik und die enorme Produktivität der Wirtschaft genannt. Der wachsende Reichtum würde es immer mehr Menschen erlauben, ohne entfremdete Arbeit ihre Interessen und Fähigkeiten auszuleben.

Schon zwanzig Jahre später war aus der Verheißung ein Alptraum geworden. Immer mehr Menschen seien durch Arbeitslosigkeit bedroht und schon deshalb müsse das Wirtschaftswachstum auf Teufel komm raus gesteigert werden. Die einen forderten niedrigere Löhne, weniger Arbeiterschutz und flexible Arbeitszeiten. Andere machten auf die vielen Bereiche aufmerksam, wo trotz privaten Reichtums an Geld und qualifizierten Menschen mangelt herrschte. Beide Seiten teilen den Glauben an die bewegende Kraft des Geldes. Für die einen muss sich Leistung endlich wieder lohnen, während die anderen eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten fordern.

 

Empörung als Politikersatz

Natürlich ist mein Blick nicht unvoreingenommen. Vor über fünfundzwanzig Jahren wollte ich einmal als grüner in den Bayrischen Landtag einziehen. Vielleicht wäre ich heute auch ein "Berufspolitiker", die wir Grünen damals noch verteufelt haben.

Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder erwiesen sich die Bündnisgrünen als "politikfähig". Sie nahmen sich auch das Arbeitslosenproblem vor, das seit den siebziger Jahren an Brisanz gewonnen hatte. Mit "Hartz-4" sollte diese Entwicklung gestoppt und der einzelne Arbeitslose zu mehr Selbstverantwortung gezwungen werden.

Bei der Festlegung des Arbeitslosengeldes-2 orientierte man sich an der Sozialhilfe, die zur gleichen Zeit pauschalisiert wurde. Danach fehlten den Mitarbeitern der Sozialämter das Geld, um weiter differenziert auf den einzelnen Notfall antworten zu können.

Mit dieser Reform gelang es, mehr Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Teile der Arbeitsverwaltung entwickelten effektivere Betreuungs- und Vermittlungsformen. Weil Rot-Grün gleichzeitig neoliberalen Forderungen nach mehr Deregulierung und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt (es sollte möglich sein, rund um die Uhr zu arbeiten und zu konsumieren) nachkam, entstanden mehr Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich und Teilzeitarbeit. Die Zulassung von zeitarbeitsfirmen erleichterte es den Unternehmen, Stammpersonal abzubauen und auf Leiharbeiter zurückzugreifen. Sinkende Arbeitslosenzahlen (durch Frühverrentung u. ä.) forciert) schienen diese Reformpolitik zu bestätigen.

Einer der arbeitet, muss mehr haben als ein Hartz-4-Empfänger. Das wurde im Lohnabstandsgebot festgelegt. Aber auch bei den 20 Prozent, die inzwischen im Niedriglohnbereich arbeiten, reicht das Geld oft nur noch zum Überleben. Auf diese Gruppe bezieht sich jetzt die schwarz-gelbe Regierung bei der Neufestlegung von Hartz-4. Eigentlich müsste sie, um dem Lohnabstandsgebot nachzukommen, Hartz-4 absenken. Aber das wagt nicht einmal diese Regierung.

Auch der "Atomausstieg" wurde von der rot-grünen Regierung so gestrickt, dass für neue Probleme gesorgt wurde. Um die Zustimmung der Atomwirtschaft zu bekommen, wurde die Monopolstellung der vier Energieriesen hingenommen, obwohl man kartellrechtlich dagegen hätte vorgehen können. Sie wurden auch nicht verpflichtet, aus ihren Gewinnen endlich das veraltete Verteilernetz zu modernisieren. Auch wurde keine Wissenschaftskommission beauftragt, Kriterien für ein mögliches Endlager festzulegen und anschließend mit der Standortsuche zu beginnen. Stattdessen befriedigte man die Atomgegner in den eigenen Reihen, indem man die Untersuchungen in Gorleben für zehn Jahre aussetzte.

Dieselben Parteien, die damals zu feige waren, Strukturen zu verändern und Zukunft zu gestalten, werfen jetzt der neuen Regierung Kapitulation vor der Atomwirtschaft vor. Es ist immer leichter, das tapfere Schneiderlein zu spielen, wenn man nicht mehr an der Macht ist.

Vielleicht kann man von dieser politischen Klasse kein ernsthaftes Nachdenken mehr erwarten. Viel zu viel Energie und Zeit verbringt man mit Geifern und Entlarven der jeweils anderen Seite. Angesichts wachsender Naturkatastrophen bekommen die Bündnisgrünen den Vertrauensverlust in der Bevölkerung noch nicht zu spüren, obwohl auch ihre Spitzenpolitiker zu keinerlei Selbstkritik fähig zu sein scheinen.