Geldordnung und Finanzpolitik

 

Geldordnung_und_FinanzpolitikUnseren europäischen Nachbarn sollte durch den Euro die Angst vor dem wiedergevereinigten und wirtschaftlich erfolgreichen Deutschland genommen werden. Leider wurde bei der Planung der Währungsunion versäumt, verbindliche Regeln für die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik festzulegen. Deshalb konnte sich ein unterschiedlicher Wirtschaftsraum herausbilden. Irland etwa besteht auf seinen geringen Unternehmenssteuern. Luxemburg dagegen lebt von einer Finanzindustrie, bei der Steuerflüchtige ihr Schwarzgeld anlegen. Die Pioniere der Währungsunion -Deutschland und Frankreich - missachteten als erste das im Maastricht-Vertrag verankerte Verbot, sich mit mehr als drei Prozent des Bruttosozialprodukts zu verschulden. Als der Brüsseler Währungskommissar erste Geldstrafen verhängte, wurde das in Paris wie in Berlin abfällig kommentiert. Beide Regierungen haben sich mit ihrer Strategie arroganter Missachtung durchgesetzt.

 

Ähnlich nachlässig geht man jetzt mit der im Lissabon-Vertrag festgeschriebenen Klausel, dass kein Staat im Euroraum für die Schulden eines anderen haften darf, um. Mit ihrer Geldpolitik unterläuft die Europäische Zentralbank das Haftungsverbot. Auch die Finanzminister mogeln sich mehr oder weniger durch. Noch gestern getroffene Vereinbarungen werden angesichts neuer Schwierigkeiten nach wenigen Wochen wieder über den Haufen geworfen. Es bleibt abzuwarten, ob dieses ständige Hin und Her die Skeptiker von der Stabilität des Euro überzeugen kann.

 

Deutschland hat von der Verschuldung seiner Nachbarn profitiert.

Mit der Einführung einer einheitlichen Währung entfiel für unsere Exportindustrie der Druck, die Zahlungsfähigkeit anderer Euro-Staaten etwa die von Italien oder Spanien selbst zu überprüfen. Auch Griechenland, das die Aufnahme nur mit Hilfe einiger von Goldman Sachs getürkter Statistiken geschafft hatte, nutzte sofort die neuen Möglichkeiten. Der arme Agrarstaat bestellte bei uns einen Starfighter, zwei U-Boote und vierzig Panzer. Unsere Bundeskanzlerin fand für diese großartige Bestellung lobende Worte. Auf ihrem Flug nach Athen ließ sie sich von Vertretern der Rüstungsindustrie begleiten. Unter dieser Pastorentochter als Kanzlerin hat sich Deutschland nach den Vereinigten Staaten und noch vor Russland zu einem des erfolgreichsten Rüstungsgüterexporteurs der Welt entwickelt.

 

Ein Abgrund von Pragmatismus

In der Bayrischen Verfassung steht: die Wirtschaft dient dem Gemeinwohl. Eine Forderung, die selbst die meisten Konservativen inzwischen als lebensfremd ablehnen. Nicht nur sie sehen es als ihre Pflicht an, möglichst viele wirtschaftliche Aktivitäten zu fördern, ohne sie auf ihrem Sinn zu hinterfragen. Deshalb unterstützt man selbst die finanziell erfolgreiche Rüstungsindustrie mit Billigstrom und lässt diese Subvention vom normalen Stromkunden bezahlen. Wachstum ist zum goldenen Kalb geworden, dem alle im Bundestag vertretenen Parteien opfern und huldigen müssen.

Vielleicht sorgen die mit Druck durchgesetzten drastischen Sparvorgaben für eine heilsame Ernüchterung. Denn keiner der in die Verarmung getriebenen Staaten wird seine Probleme mit Hilfe dieses Ökonomisierungswahns lösen können.

 

Götterdämmerung

Ihrem Slogan „Leistung muss sich wieder lohnen!" verdanken unsere Liberalen einen beeindruckenden Wahlerfolg. Seit sie mitregieren, enttäuschen sie selbst ihre Anhänger. Ihr Widerstand gegen jede Steuererhöhung trägt religiöse Züge. Bei ihrem Bemühen, der Wirtschaft zu dienen, verzichten sie auf jeden kritischen Sachverstand. Mit den Forderungen von gestern wollen sie die Probleme von heute lösen. So soll die Regierung auch noch ihr letztes Tafelsilber wie die „Deutsche Bahn" oder die „Telekom" verkaufen. Irgendwo müssen die für die aufwendigen Rettungsschirme notwendigen Milliarden herkommen.

Wie Alberichs Zwerge schürfen sie nach immer neuen privaten Kapitalstöcken. Selbst die alleinerziehende Mutter oder der Müllmann soll und muss zumindest ein bescheidenes Häuflein ansparen, das der Staat mit einen Zuschuss zu vergolden hat. Irgendwer muss ja unsere Banken und die Versicherungswirtschaft mit frischem Geld versorgen, damit sie weiter an dem Rohstoff- und Nahrungsmittelbörsen mitspekulieren können.

 

Ein Blick zurück und nach vorne

Schon seit den siebziger Jahren wurde von interessierter Seite der Staat systematisch schlecht geredet. Die Botschaft war: private Anbieter können alles besser. Aber erst Rot-Grün hat die Gesellschaft nach neoliberalen Vorstellungen modernisiert. Seitdem wird jeder Arbeitslose spätestens nach einem Jahr zum Sozialhilfeempfänger. Damit er sich nicht in dieser sozialen Hängematte wohnlich einrichtet, muss er jederzeit seine Arbeitsbereitschaft nachweisen. Dieser Agenda 20.10 ist es gelungen, die Massenarbeitslosigkeit zu stoppen und wieder abzubauen. Freilich profitieren unsere Sozialkassen inzwischen nur noch von 60 Prozent aller gezahlten Löhne. Ein Niedriglohnbereich ist entstanden, der weiter anwächst. „working poor" war vor zehn Jahren in Deutschland noch ein Fremdwort. Jetzt müssen immer mehr Löhne vom Staat aufgestockt werden. Durchgehende Berufsbiografien scheinen der Vergangenheit anzugehören. Selbst wer vierzig Jahre in die Rentenkasse einzahlt, ist nicht mehr vor Altersarmut sicher.

Diese Betrachtungsweise ist einseitig. Viele junge Leute akzeptieren die flexiblen Arbeitszeiten. Den Gedanken, ein Leben lang am selben Arbeitsplatz oder im gleichen Beruf zu arbeiten, finden nicht wenige furchtbar.

Parallel zur Arbeitswelt wurde auch der Finanzsektor dereguliert. Peer Steinbrück Hätte den Bestseller „Auf dem Strich- Einblicke in das Zwielicht zwischen Banklobbyisten und Politiker" schreiben können. Stattdessen verstaubt in den Buchhandlungen sein dicker Wälzer „Unterm Strich". Dank der radikalen Liberalisierung werden weltweit immer neue innovative Finanzprodukte angeboten. Wer geschickt mitspielt und -vor allem- rechtzeitig wieder abspringt, bevor sich das Finanzprodukt als Giftpapier erweist, kann enorme Gewinne machen. Dieser Umlauf an Billionen mit ihren Scheinblüten und Zusammenbrüchen gefährdet zunehmend die Realwirtschaft.

Nicht ohne Grund macht sich die Bundeskanzlerin über unsere wirtschaftliche Zukunft Sorgen. Aber es gibt am Horizont auch einen Hoffnungsschimmer. Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl ist sie die sperrige FDP los. Dann wird wieder die pflegeleichte SPD mit ihrem redlichen Frank-Walter Steinmeier an der Spitze auf der Regierungsbank Platznehmen. Mit Wladimir Putins Hilfe wird sich auch für Peer Steinbrück ein Aufsichtsratsposten in einem russischen Staatsunternehmen finden. Damit sein Wunsch, wenigstens finanziell einmal ganz groß abzusahnen, in Erfüllung geht.

Teil II: Wir Piraten und das liebe Geld (folgt)